Tuesday, February 19, 2019

Nozaki Island - Ruf der Wildnis

Schon früh am Morgen ging es los. Um 6 Uhr klingelte der Wecker und riss mich aus meinem wohligen Schlaf. Doch das war es absolut wert, denn heute ging es nach Nozaki Island, die Nachbarinsel Ojika's. Ich zog mich an, schnappte meine Sachen, bereitete meine Frühstück sowie mein Mittagessen zu und machte mich auf den Weg zum Supermarkt. Dort traf ich mich mit Victoria, eine auf Ojika lebende Litauerin, welche im Touristenbüro arbeitet. Normalerweise braucht man einen Touristenführer, um auf der Insel wandern zu gehen, doch diese Rolle durfte Victoria heute übernehmen. Sie war zuvor bereits zwei Mal die Strecke abgelaufen und man vertraute ihr, dass sie die "gefährliche" Strecke mit mir meistern würde. Zusammen gingen wir also zum Ablegeplatz eines kleinen Bootes, welches auch schon auf uns wartete. Und dann ging die Reise los. 

Noch etwas müde blickten wir aus dem Fenster der Kabine und ließen unsere Blicke über den weiten Ozean schweifen. Nach einem kurzen Halt bei "Mu Island", einer kleinen Insel mit nur drei Einwohnern, kamen wir auch schnell in Nozaki an. 
An diesem Tag sollten nur 4 Menschen auf der Insel sein. Zwei Mitarbeiter, welche uns unter anderem die Tore zu den Sehenswürdigkeiten öffneten, Victoria und ich. Da es sich bei Nozaki Island um einen Nationalpark handelt, gibt es keine Läden und auch kein Mensch bewohnt die Insel. Einzig eine große Anzahl an Rehen mit Herzchenpopo springen hier und dort durch die verlassenen Häuser. Ursprünglich sollte Nozaki Island als Freizeitpark dienen, weshalb Bewohner die Rehe dorthin brachten. Diese können sich jetzt uneingeschraenkt vermehren, da es auf der Insel keine natürlichen Feinde gibt.
Nachdem uns einer der Mitarbeiter auf Sicherheitshinweise aufmerksam machte (Achtung vor Wildschweinen und anderen gefährlichen Tieren, der einzige Tipp war jedoch, dass man nach einer Attacke sofort zum Arzt gehen solle), ging die Wanderung auch schon los. 


Über Stock und Stein, durch Savanne, Wald und Berge, mit einem immerzu wechselnden Schauspiel der uns umgebenden Natur, streiften wir durch die endlosen Weiten der Wildnis. Der steile Weg den höchsten Berg hinauf brachte uns ganz schön schnell ins Schwitzen, doch nichts desto trotz löste das durch unsere Adern fließende Adrenalin Glücksgefühle in höchsten Tönen aus. Und nicht nur das, auch der atemberaubende Ausblick auf das Meer und ein paar kleine Inseln brachte unsere Augen zum Leuchten. 
Und dann war es endlich so weit. Nach zwei Stunden kamen wir erschöpft, jedoch super fröhlich bei unserem Ziel an. Dem 1300 Jahre alten Okinokojima Schrein. Von dort aus hatte man einen weiten Blick über ganz Ojika und erst in diesem speziellen Moment bemerkte ich, wie hoch wir doch gewandert waren. Es sah fast so aus, als würden wir von einem Flugzeug aus auf die kleine, neben uns gelegene Insel schauen. 
Nach einer kurzen Rast schauten wir uns ein wenig genauer in dem kleinen Gebiet hier um. Hinter dem Schrein befand sich eine Art Steintor, das jedoch aufgrund eines Holzhäuschens nicht genau zu sehen war. Daneben standen eine Reihe anderer, großer Felsen. Über diese wird gemunkelt, dass einer der Götter auch sie umschweift, sobald er den sich hier befindenden Schrein besucht. Einst sah ein Wanderer hier, wie sein Kompass verrückt spielte, sobald er sich den Felsen nur ein Stück näherte. Und tatsächlich hatte das Zusammenspiel all der einzelnen, den Okinokojima Schrein umgebenden, Elemente etwas magisches an sich.
Nachdem wir eine Weile die Landschaft genossen hatten, wurde es für uns auch schon Zeit sich auf den Rückweg zu begeben. Schließlich gab es noch so viel mehr auf der Insel zu erkunden. 



Der Rückweg stellte sich als super einfach heraus, schließlich ging es so gut wie nur bergab. Dennoch waren wir ganz schön hungrig, als wir letztendlich bei der Schule Nozaki Island's ankamen, die mittlerweile nicht mehr in Betrieb ist. Umso schöner war es dann sich in das alte Holzgebäude zu setzen um eine stärkende Mahlzeit einzunehmen. Und Japan wäre nicht Japan ohne die herzliche und fürsorgliche Art seiner Bewohner. So hatte uns die Frau einer der Mitarbeiter eine mini Bento Box mit Tamagoyaki, Fishcake und Pickles zubereitet. 

Mit neuer Stärke machten wir uns auf den Weg zur Nokubi Kirche, der eigentlichen Attraktion Nozaki Island's. Und hier wird einem wirklich nicht zu viel versprochen. Rötliche Backsteine, welche geradezu ineinander verschmelzen zu scheinen und doch klar voneinander abgrenzbar sind, zieren das Äußere des kleinen Gebäudes. Auf den 4 kleinen Turmspitzen sitzen Schachfiguren ähnliche Statuen, von welcher die mittige und höchste mit ihrer Verkörperung eines Kreuzes eindeutig den Bezug zum Christentum herstellt. Und doch ist auch immernoch eine Verbindung zu Japan zu erkennen, durch die sich zwischen zwei kleinen Fenstern befindende Steinplakette mit darin eingravierten Kanji Schriftzeichen. Die Liebe zum Detail sticht besonders in den 3 Umrahmungen der ovalen Eingangstore hervor. Während die Backsteine der äußeren Rahmen gleichmäßig nebeneinander platziert sind, sticht die mittlere Umrahmung durch die Drehung jedes zweiten Steins um etwa 90° stark hervor und verleiht dadurch dem ganzen eine gewisse Dynamik. Fast so als wolle die Kirche einen damit zum Betreten der heiligen Gemäuer einladen.

Geleitet von diesem Gefühl traten wir also langsam in die mystische und alte Kirche ein. Natürlich nicht ohne die wie in Japan übliche Straßenschuhe-ausziehen-Hausschuhe-anziehen-Prozedur vor dem Betreten eines jeglichen Gebäudes. Beim ersten Blick fühlte man sich sofort um Jahrhunderte in der Zeit zurück gesetzt. Helles Holz bildet eine ebene Grundfläche, aus welcher identische, runde Pfeiler geradeso zu sprießen scheinen. In der Mitte des leeren Raumes spalten sich diese jedoch wider zu erwarten auf und vernetzen sich wie Spinnweben mit der weißen Decke. Abgerundet wird das Ganze Schauspiel durch die zu den Seiten herunter fallenden, weißen Wände, welche das heilige Innere dadurch vor neugierigen Blicken von Außen schützen.
Licht fällt einzig durch die rechteckigen, oben jedoch zum Halbkreis spitz zulaufenden, bunten Fenster. Während das Muster in Form von mehreren, geometrisch angeordneten Blumen in allen Fenstern übereinstimmt, bilden diese durch ihre differente Farbgebung eine eigene Individualität aus. Somit wirft das einfallende Licht zu Teilen rote, grüne, blaue oder gelbe Streifen auf den Grund des Gebäudes. 
Zum Beten laden zur rechten, sowie linken Seite mehrere hintereinander, fein säuberlich in Reihen aufgestellte Bänke ein, welche in der Mitte einen breiten Gang zum sich vorne befindenden Altar eröffnen. 
Dieses lädt aufgrund seiner Komplexität mit zahlreichen, unterschiedlichen Mustern zu einem längeren und ausgiebigen Betrachten der Holzschnitzereien ein. Ab und an schweift der Blick jedoch zu den sich an den Seiten befindenden Figuren ab. Links wartet eine mit geöffneten Armen dastehende Maria auf ihren sich daneben befindenden Christus, während rechts eine in sich gekehrte, auf den Boden blickende und in ein reines, weißes Gewand gehüllte Maria das genaue Gegenteil repräsentiert.
Da Japan stark vom Buddhismus sowie Shintuismus geprägt ist, war es erstaunlich ein christliches Gebäude hier auf dieser kleinen Insel zu sehen zu sehen. Doch aufgrund ihrer Religion hatten die vor langer Zeit hier lebenden, japanischen Christen auch mit starker Diskriminierung, Verfolgung und sogar Ermordung zu kämpfen. Vielleicht diente Nozaki Island somit also perfekter Zufluchtsort.

Nachdem auch die Nokubi Kirche auf unserer Liste von Sehenswürdigkeiten abgehakt war, hatten wir noch ein paar Stündchen Zeit bis das Boot für die Rückfahrt uns abholen würde. Da das Wetter, trotz der Tatsache dass es Februar und damit Winter war, perfekt mitspielte und die Sonne hoch am Horizont stand, entschlossen wir uns zu dem nahe gelegenen Nokubi Strand zu gehen. Eine Sanddüne hinunter kletternd fanden wir uns dann auch gleich an dem weißen Sandstrand wieder. Schnell entledigten wir uns unserer Schuhe um uns dann mit den Zehenspitzen an das türkisfarbene Wasser heran zu tasten. Doch sobald uns die erste Welle erfasste schreckten wir auch schon wieder leicht aufkreischend zurück. Das Wasser war eisig kalt! Stimmt, es war ja immernoch Winter. Aus Baden würde heute also nichts mehr werden. Doch alleine das Gefühl des weichen und durch die Sonne aufgewärmten Sandes zwischen den Füßen reichte aus, um das Gemüt zu entspannen und eine innere Ruhe einkehren zu lassen. So ließen wir uns sachte in eine der Dünen fallen, schlossen unsere Augen, spürten den Wind um und den Sand unter uns und genossen die uns umgebende Ruhe. Einzig das Meeresrauschen war zu hören, welches jeden in eine Art Trance versetzte, aus der man am Liebsten nicht wieder aufwachen wollen würde. Wäre da nicht das innere Kind, welches die Dünen doch zu verlockend für eine kleine Spieleinlage empfand. Somit erklommen wir zuerst mühsam, mit den durch das Wandern sowieso schon total erschöpften Beinen, die Sandmasse, nur um dann wieder lachend von ihnen herunter zu rollen. 

So viel Spaß wir auch hatten neigte sich die schöne Zeit jedoch langsam ihrem Ende zu. Pünktlich auf die Minute holte uns das Boot am Steg ab und wir mussten uns von der Insel und all seinen tierischen und pflanzlichen Bewohnern verabschieden. 
Und so endete die kleine Reise in eine gefühlt völlig andere Welt.
Wir legten ab und warfen noch einen letzten Blick zurück. Doch wir waren nicht traurig, keineswegs. Denn wir wussten, eines Tages würden wir hierher zurück kehren. Und dem Ruf der Wildnis folgen. 
Dem Ruf Nozaki Island's.


- CH -







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